Kunst in Reutlingen: Meine Eindrücke der „Rouge et plus“ und „Wonderful Creatures“ Ausstellung
Eine tiefgründige Erfahrung mit Bernard Aubertins „Rouge et plus“
Letzte Woche hatte ich das Vergnügen, die Ausstellung „Rouge et plus“ im Kunstmuseum Reutlingen zu besuchen. Diese Ausstellung ist dem französischen Künstler Bernard Aubertin gewidmet, dessen Werk tief mit der Stadt Reutlingen und ihrer künstlerischen Gemeinschaft verwoben ist. Die Ausstellung bietet nicht nur einen retrospektiven Einblick in Aubertins Schaffen, sondern lädt auch dazu ein, seine besondere Beziehung zur Stadt und ihrem künstlerischen Umfeld zu entdecken.
Ein neuer Blick auf Bernard Aubertin:
Schon beim Betreten der Ausstellungshalle wird klar, dass Aubertins Werke mehr sind als nur eine Erkundung der Farbe Rot. Die großen, seriellen Werke, die in den Wandel-Hallen und anderen Ateliers in Reutlingen entstanden sind, spiegeln eine beeindruckende künstlerische Produktion wider, die durch die spezifischen Bedingungen und Möglichkeiten der Stadt gefördert wurde.
Die Ausstellung beginnt mit Aubertins frühen Werken aus den 1950er Jahren und führt den Besucher durch seine künstlerische Entwicklung bis zu seinen späteren, großformatigen Wandinstallationen. Dabei wird deutlich, wie die spezifische Ateliersituation in Reutlingen seine Arbeit beeinflusst hat. Die historischen Fotodokumente und Relikte aus seinem Atelier, die ebenfalls Teil der Ausstellung sind, verleihen dem Besucher einen intimen Einblick in Aubertins persönliche Arbeitssituation und die Prozesse hinter seinen Werken.
Die Magie des „Rouge“
Ein zentrales Element der Ausstellung ist die Farbe Rot, die in vielen von Aubertins Werken dominiert. Beim Betrachten der Werke wird man von der Intensität und Tiefe dieser Farbe förmlich eingefangen. Die großen, seriellen Arbeiten wirken durch ihre Wiederholung und Variation hypnotisch und fordern den Betrachter auf, sich auf die Nuancen und Texturen der Oberfläche zu konzentrieren.
Eine besonders beeindruckende Wirkung hatte für mich die Strukturarbeit durch verschiedene Effekte mit Licht und Schatten, welche durch Strukturmasse, oder Nägel erreicht wurde. Bei den kleinformatigen Installationen, bei der die verschiedenen Rottöne auf den einzelnen Tafeln fast pulsieren, erkennt man trotzdem eine gewisse Art Ordnung. Die Erfahrung, vor diesem Werk zu stehen, war überwältigend – die Energie und Leidenschaft, die Aubertin in seine Arbeit gesteckt hat, sind deutlich spürbar.
Fire, Fire, Baby…
Das Bernard Aubertin auch mit Feuer ‘gespielt’ hat, sieht man in den folgenden Werken. Hier stand ich etwas länger vor den Gemälden, da mich die Arbeit sehr fasziniert hat. Denn, die Flamen prägen die Werke mit einer ganz eigenwilligen Art und machen es zudem zum Unikat.
Auf Papier, Holz und Blechplatten erkennt man Brennspuren, Flammenspuren und Löcher.
Das Rot im Werk kam zuerst, später folge das Feuer. In seinem Manifest „Triumphierendes Feuer“ schrieb der Künstler 1969: „Durch das Rot habe ich das Gefühl, mich mit dem Feuer zu identifizieren, mit diesem Feuer, das ich besitzen möchte und das ich mir tatsächlich vier Jahre später, im Mai 1961, aneignen sollte, indem ich mein erstes Feuerbild erfand.
Zugegeben, hat der Künstler für mich, durch diese Verschmelzung von Nägel, Feuer und Rot seine eigene Ästhetik geformt, welche ihn schlussendlich ausmacht. Durch die einfachen und minimalischen Werke jedoch, bringt er in das Thema wieder eine Ruhe mit ein.
Das Feuer steigt hoch und markiert die silberne Oberfläche mit den schwarzen Qualm. Der Künstler gibt somit die Kontrolle ab und lässt die Flammen am Kunstwerk teilhaben. 17 Bohrlöcher je Reihe, welche gerade mal so groß sind, dass ein Streichholz hinein passt.
Fazit
Die Ausstellung „Rouge et plus“ im Kunstmuseum Reutlingen bietet eine tiefgründige und emotionale Reise durch das Werk eines faszinierenden Künstlers. Aubertins Werke, die Intensität der Farbe Rot und die persönlichen Einblicke in sein Leben machen diese Ausstellung zu einem unvergesslichen Erlebnis. Ich empfehle jedem, der sich für moderne Kunst und die Geschichte eines bemerkenswerten Künstlers interessiert, diese Ausstellung zu besuchen. Sie bietet nicht nur visuelle Freude, sondern auch tiefgehende Einblicke in die Welt von Bernard Aubertin und seine besondere Beziehung zu Reutlingen.
Die Ausstellung geht von Sa., 18. Mai bis So., 20. Oktober 2024
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Kunstverein Reutlingen zeigt:
Neben der Ausstellung „Rouge et plus“ hat der Kunstverein Reutlingen im Kunstmuseum (Stockwerk 1) eine laufende Ausstellung (ab 16.06. bis 15.09.2024), die ebenfalls eine nähere Betrachtung verdient.
Die Ausstellung „Wonderful Creatures“ zeigt Werke von malatsion und Hans-Peter Thomas, die durch gegensätzliche Stimmungen und Wirkungen bestechen, jedoch das gemeinsame Interesse an der Natur und der Inspiration dahinter verbinden. Die Werke des Künstlers Hans-Peter Thomas stellen farbenfrohe und intensive Gemälde sowie Objekte dar, die an die Nacht, Urlaubsfotos oder den Zoo erinnern. Die französische Künstlerin malatsion hingegen schafft präzise Skulpturen und Pflanzenmodelle, die origami-technisch aufgebaut sind. Begleitend zu den fertigen Skulpturen kann man die Maßstab 1:1 Schnittmuster der Objekte in gerahmten Formaten nachvollziehen.
Die Kunstobjekte von malatsion erscheinen wie Produkte von Laborversuchen, die aus Kanistern mit Nährstoffen am Leben erhalten werden. Die einzelnen Elemente jeder Pflanze sind nummeriert und gekennzeichnet, was den wissenschaftlichen Ansatz der Künstlerin unterstreicht.
Die nächste Kunstinstallation von malatsion befasst sich mit der Verbindung von Kunst und Wissenschaft und bringt lebhafte Farben ins Spiel, die einen starken Kontrast zu den gefalteten Pflanzen darstellen. Diese Installation löst beim Betrachter eine völlig neue Stimmung aus: Während die vorherige Installation Ruhe und Nostalgie vermittelte, wirkt diese lebendig und dynamisch. Die Farben und Formen erinnern an künstlich hergestellte Organe oder lebendige Korallen, die sanft von Wasserströmungen bewegt werden.
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Im Gegensatz dazu stehen die Werke von Hans-Peter Thomas:
Farbenfroh, abstrakt und flächig bemalt. Betrachtet man die Gemälde intensiver, erkennt man vereinzelte Tier-Silhouetten, die einen wieder in die Realität zurückholen. Die Formen wirken abstrakt, und man erkennt die einzelnen Pinselstriche, die manchmal mehr Farbe aufweisen als andere. Für mich leben die Werke gerade wegen der starken, warmen und kühlen Farben sowie den groben Pinselstrichen.
Fazit
Die Ausstellungen „Rouge et plus“ und „Wonderful Creatures“ im Kunstmuseum Reutlingen bieten faszinierende Einblicke in die Welt der modernen Kunst. Die Werke von Bernard Aubertin, malatsion und Hans-Peter Thomas sind beeindruckende Beispiele für die Vielfalt und Tiefe künstlerischer Ausdrucksformen. Ob durch die farbenfrohen Gemälde von Thomas oder die präzisen Skulpturen von malatsion – die Ausstellungen laden dazu ein, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und die Schönheit der Kunst neu zu entdecken.
Ein Besuch dieser Ausstellungen ist nicht nur für Kunstliebhaber ein Muss, sondern auch für alle, die sich von kreativen und innovativen Ideen inspirieren lassen möchten. Tauchen Sie ein in die Welt der Kunst und erleben Sie die einzigartige Atmosphäre des Kunstmuseums Reutlingen.
-Dieser Beitrag ist nicht gesponsert und dieser Beitrag spiegelt meine persönlichen Erfahrungen und Meinungen wider.